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Die Miet-Box - oder Wie Lagerräume einen persönlichen Charakter erhalten

27. April 2012
Annelie Knust
Wohnen & Leben
Dinge & Lagern

„Das ist hier wie ein Hotel eigentlich, das ist ein Hotel für Dinge, die vorübergehend einen anderen Platz brauchen“ so beschreibt nicht nur der 50-jährige Stuttgarter und Business Development Manager Herr Groß, sondern auch der Münchner SelfStorage-Mitarbeiter Herr Reiter die Firma MyPlace.

Meine Interviewpartner zeigen durch ihre unterschiedlichen Nutzungsformen der Lagerräume, dass ihnen dieser Transitraum1 nicht 'nur' flüchtig, provisorisch, bezugs- und identitätslos erscheint, wie Marc Augé etwa ausführt, und sich damit auch seine Bedeutung nicht alleine durch einen 'transitorischen' Charakter erschließen lässt.2 Während Herr Groß die zweite, zu gewerblichen Zwecken angemietete Box als „relativ emotionsfreie Geschichte“ bezeichnet, steht es um den privaten Lagerraum ganz anders:

„[...] da hatte ich große Schwierigkeiten, mich zu trennen, [...] an diesen Dingen hängt auch ein Stück weit Unverarbeitetes dran.“

Kein Besuch bei Self Storage endet, ohne dass er nicht einen Blick hier hinein werfen würde und gewisse Dinge wie die Fotoausrüstung einmal in die Hand nähme, berichtet mir Herr Groß. Emotional bereit, Abschied von diesen Dingen und damit von diesem Raum zu nehmen, sei er noch lange nicht, auch wenn er ihn bis spätestens Ende des Jahres 2011 kündigen will, „das heißt diese Unordnung, ja, diese zu klärenden Dinge bis dahin geklärt habe“.

Self Storage ist damit nicht nur die passende „Infrastruktur auf Zeit“, wie Herr Groß meint, eine Zwischenlösung, bis man sich schließlich von diesen Dingen trennt. Er weiß hier also nicht nur seine Sachen gut aufgehoben, sondern auch sich selbst: „weil's sauber ist, weil's hell ist, weil's sehr funktional eingerichtet ist“. Das Self Storage Gebäude entspricht ganz seinem persönlichen Stilempfinden, alles ist funktional und ordentlich. Daher möchte Herr Groß hier weiterhin Kunde bleiben und hat seinen gewerbliche Lagerraum inzwischen dauerhaft angemietet, das heißt einen Drei-Jahres-Vertrag mit Verlängerungsoption abgeschlossen. Der eigene Anspruch auf Funktionalität äußert sich zum einen darin, dass auch im privaten Lagerraum die Dinge leicht umgeordnet, ein- und ausgelagert werden können, beim gewerblichen Lagerraum unterstreicht der Einbau eines Regalsystems den professionellen Charakter. Auch wenn die Verpackung, in denen die Dinge aufbewahrt werden wie Kisten, Kartons oder Taschen den Eindruck entstehen lassen, dass ein leichter Wechsel des Aufbewahrungsort möglich wäre, spricht das Sich-Einrichten an diesem Ort dennoch für seine Aneignung. Wer sich überlegt, wie er die Box nutzen kann und sie entsprechend füllt, macht aus dem anonymen, ihm von Self Storage auf Zeit zur Verfügung gestellten, transitorischen Raum, seinen ihm vertrauten und persistenten Raum, einen festen Bestandteil des Lebens, eine Art 'Zwischenheimat'. So scheint der Raum mehr Bedeutung zu haben, als auch zum Beispiel Herr Nische ihm selbst zugesteht, der den Lagerraum nur übergangsweise angemietet hat, bis er eine neue Wohnung gefunden hat. Während Herr Nische Dinge des alltäglichen Gebrauchs hier untergebracht hat und deshalb seine Box oft aufsucht, da er hier die für sein momentanes Leben wichtigen Dinge eingelagert hat, ist die Box für ihn zum zentralen Bezugspunkt geworden.

Für Herrn Grube hat der Lagerraum eine anderen Nutzen. Er hat sich hier auf Dauer eingemietet, um viele angehäufte Dinge ohne Verwendung zwischenzulagern. Während Herr Nische betont, trotz häufigen Aufsuchens der Box sich nicht mit diesem Ort zu verbinden, macht Herr Grube seine Bindung deutlich, denn er plant sogar, einen zusammenklappbaren Tisch und Stuhl darin aufzustellen. Aus dem praktischen Lager wird damit ein Ort, an dem er sich bequem aufhalten kann. Das alles sind Zeichen für den „'lived-in' character of a place“3 wie es Korosec-Serfaty in ihrer Studie ausdrückt. Selbst der private Mieter Herr Ershadi, 35-jähriger Arzt aus Stuttgart, betont in Bezug auf den Lagerraum: „[...] das liegt jetzt hier nicht brach nach dem Motto, aus dem Auge aus dem Sinn und Schlüssel, tschüss, sondern das wird schon immer wieder genutzt [...]“. Obwohl die Nutzung der Lagerräume eher temporär und auf Zwischennutzung angelegt ist, konnte ich anhand meiner Interviews feststellen, dass die Nutzer durch die Dinge, die sie einlagern und zu denen sie doch eine persönliche Bindung haben, eine Beziehung zu diesem Ort eingehen. Mit zunehmender Nutzungsdauer passt sich die Einrichtungen des Lagerraumes immer stärker den individuellen Bedürfnissen an, die Räume erhalten einen persönlichen Charakter und die rein zweckorientierte Ebene wird dadurch verlassen.

 

1 Von Transitraum lässt sich hier sprechen, da die von der Self Storage Firma vermieteten Lagerräume nur temporär zur Anmietung zur Verfügung gestellt werden und somit einen Aufenthaltsort auf Zeit, eine Durchgangsstation bilden.

2 Vgl. Marc Augé: Nicht-Orte. München 2010. ; Vgl. Brigitta Schmidt-Lauber: „Fragile Räume - Ortsbezogenheit und Mobilität“. Kommentar. In: Beate Binder/Silke Göttsch/Wolfgang Kaschuba/ Konrad Vanja [Hg.]: Ort. Arbeit. Körper. Ethnografie Eropäischer Modernen. Münster 2005, S. 213-214, S. 213.

3 Korosec-Serfaty 1984, S. 311.

Annelie Knust

Annelie Knust studierte Empirische Kulturwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Kunstgeschichte auf Magister an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ihre Abschlussarbeit "Zum Wegwerfen zu schade?" im Fach Empirische Kulturwissenschaft am Ludwig-Uhland-Institut handelt von Menschen, ihren Dingen und ihren Erfahrungen mit deren Speicherung bzw. Einlagerung bei „Self Storage–Firmen“ (Selbstlagerzentren). Seit April 2013 arbeitet Annelie Knust als Assistenz im Museum "Fondation Beyeler" in Basel.

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