Effektive Platznutzung in urbanen Räumen
Zeit scheint in der heutigen, hektischen Gesellschaft für viele nicht mehr das Einzige zu sein, an dem ein Mangel vorherrscht, sondern auch Platz wird knapp – man denke an Problematiken wie die Überbevölkerung. Und offenbar drängen sich die Menschen auch immer mehr auf wenig Platz zusammen.
Denn: im Jahr 2008 lebten zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in urbanen Räumen. Und der Anteil der städtischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung wird laut Prognose der Vereinten Nationen weiter ansteigen.1 Daher haben viele Städte mit einer steigenden Bevölkerungs- und Gebäudedichte umzugehen. Um den Platzmangel und steigende Quadratmeterpreise zu kompensieren, werden kompakte Wohnbauweisen wie Hochhäuser entwickelt – auf relativ geringer Fläche wird durch das In-die-Höhe-bauen viel Wohn- und/oder Bürofläche, etc. geschaffen.
Extremformen möglichst effektiver Platznutzung stellen sogenannte Kompakt- oder Minimalwohnungen dar, bei denen auf möglichst kleinem Raum alle Funktionen und Bedürfnisse des täglichen Lebens erfüllt werden können. Ziel solcher Konzepte ist nicht nur die effektive, sondern auch die variable Nutzung des vorhandenen Platzes. Hierzu zwei Beispiele: In Tokio wurde bereits 1972 vom Architekten Kisho Kurokawa der ‘Nagakin Capsule Tower‘ geplant. Dieser beinhaltet 2,3 × 3,8 × 2,1 m große Wohnungen, die eine Nasszelle, ein Bett, einen Schreibtisch und ein Regal beinhalten und von je einer Person bewohnt werden. Die Zellen werden dann an dem Schaft des Gebäudes befestigt, was in dem etwas seltsam anmutenden Gebilde (siehe Bild) resultiert. Dieses Gebäude ist außerdem variabel – man kann seine Wohnzelle jederzeit mitnehmen und an einem anderen Gebäude desselben Typs wieder andocken, was dem Anspruch, möglichst mobil zu sein, entspricht.
Auch in München wurde 2005 von Studenten der Technischen Universität, aufgrund des Mangels an günstigem Wohnraum für Studenten, ein Minimalhaus entwickelt – das „Micro-Compact-Home“. Auf 6,8 m2 kann durch schieben, klappen oder ziehen die Funktion des vorhandenen Raumes variiert werden. Diese effektive und variable Platznutzung, die in Konzepten zu Kompakt- oder Kleinstwohnungen realisiert wird, hat den Nachteil, dass nur sehr wenig Stauraum zur Verfügung steht. Finden sich am Wohnungsmarkt durch die zunehmende Dichte und den steigenden Quadratmeterpreis hauptsächlich kleine, kompakte Wohnungen, wie in manchen Städten wie Paris bereits erkennbar ist, könnte Stauraum zu einer echten Mangelware werden.
Der Trend der effektiven und variablen Platznutzung kann auch am Angebot großer Möbelhäuser abgelesen werden. Es finden sich immer mehr Möbelstücke im Sortiment die verschiedene Funktionen erfüllen oder ihre Größe ändern können – eine Couch, die durch ausziehen ein Bett wird; Tische, die, wenn sie nicht gebraucht werden, an die Wand hochgeklappt werden können, oder deren Größe durch zusätzliche Elemente variiert werden kann; Betten, die mit Schubladen ausgestattet gleichzeitig Stauraum schaffen; ...
Der vorhandene Platz kann durch diese Möbelstücke oder in den beschriebenen Kompaktwohnungen multifunktional genutzt werden – einmal wird daraus ein Essbereich um nach dem Hochklappen wieder Platz zum Spielen zu bieten.
Wenig ökonomisch scheint dagegen Stauraum angesichts der Optimierung des vorhandenen Platzes zu sein. Denn Stauraum scheint nur eine Funktion zu erfüllen – eben Stauraum für Dinge zu sein.
Carmen Keckeis
Carmen Keckeis studiert Soziologie an der Universität Wien. In ihrer Diplomarbeit beschäftigt sie sich mit dem urbanen Phänomen Selfstorage und mit der Frage, warum diese Dienstleistung in Wien auf eine so große Nachfrage trifft. Als Ursachen für den gestiegenen Bedarf nach zusätzlichem Stau- und Lagerraum identifiziert sie unter anderem gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, die veränderte Platzbedürfnisse nach sich ziehen. Aus der Beschäftigung mit der Thematik Selfstorage ergaben sich für sie weitere interessante Fragestellungen, die sie beabsichtigt vertiefend zu erforschen.